In diesem Praxisbeispiel erfahren Sie, wie Studierende mit Projektseminaren bei der Entwicklung von Zukunftskompetenzen unterstützt werden können. Projektseminare sind optimal für die Förderung von Employability-Skills und geben den Studierenden praxisnahe Erfahrungen. Ein aktuelles Seminarthema steigert zudem die Neugier, Kreativität und Motivation. In diesem Artikel erhalten Sie zudem einen Einblick in die Struktur der Seminargliederung und Ausführung.
„Neugier und Kreativität der Studierenden spielen für die Gestaltung unserer künftigen gebauten Umwelt eine wichtige Rolle“
Prof. Dr.-Ing. Roland Krippner
Studierende werden nach ihrem Studium zunehmend mit neuen Berufsfeldern, veränderten Kompetenzanforderungen und neuen, nicht erschlossenen Themenfeldern von hoher gesellschaftlicher Bedeutung konfrontiert werden. Oft ist zu Studienbeginn noch nicht absehbar, wie sich die zukünftigen Anforderungen entwickeln werden.
Wie ist das Projektseminar aufgebaut?
Im Rahmen eines Seminars im Masterstudium der Fakultät Architektur (Modul 2: Vertiefung 2 Technik / Material und Energie) wurde im Sommersemester 2019 untersucht, wie Gebäude im Spannungsfeld von Baukultur, Sanierung, Solartechnik und Pflanzen ertüchtigt werden können. Am Beispiel des Nürnberger ‘wbg-Quartiers Nordring’ (12 Mehrfamilienhäuser von 1959) entstanden Sanierungskonzepte, bei denen neben einer gestalterischen Aufwertung gezeigt wird, dass Photovoltaik und Gebäudegrün sich auch funktional wirkungsvoll ergänzen können.
An dem Seminar nahmen 39 Studierende teil, die Bearbeitung des Themas erfolgte in der Regel in Zweierteams (um Reflexion bei größerer Bearbeitungstiefe zu erhöhen, aber auch den Workload von 5 ECTS berücksichtigend).
Titel und Inhalt resultieren aus Kontakten mit der Juniorforschergruppe “Cleanvelope – Energieaktive Gebäudehüllen als Baustein klimaorientierter Stadtentwicklung” von der Technischen Universität München. Das Seminar wurde von Dr.-Ing. Claudia Hemmerle und M.Sc. Elisabeth Faßbender (Fakultät für Architektur, Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen) begleitet.
Die Struktur des Seminars gliedert sich im Wesentlichen in drei Teile:
Input | Einführungsvorlesung zum Thema und zwei Gastvorträge bildeten den inhaltlichen Einstieg. In etwa der Mitte des Semesters erfolgte das Angebot einer Tagesexkursion mit Projektbesichtigungen und Besuch der Messe “The smarter E Europe / Intersolar Europe 2019”. |
Recherche | In Einzelarbeit wurden anhand von Literatur-Recherchen aktuelle Projekte energetischer Sanierung (u. a. Plusenergiehaus bzw. Effizienzhaus Plus-Standard im Bestand) in Verbindung mit solaraktivierter Gebäudehülle und/oder Gebäudebegrünung gesucht, analysiert, bewertet und im Seminar präsentiert. |
Entwurfsstudie | In Gruppenarbeit sollten Lösungsansätze für eine energetische Sanierung in Verbindung mit Solartechnik und Gebäudebegrünung zeichnerisch und am Modell entwickelt und aufgezeigt werden. Flankierend gab es mehrere Rücksprachemöglichkeiten. In einer Zwischen- und Schlusspräsentation mit Gast-Kritikern wurde der Stand der Bearbeitung vorgestellt und diskutiert. |
Studierende für die Zukunft ausbilden!
Das Konzept ermöglicht einerseits die Integration aktueller Themen gesellschaftlicher Herausforderungen wie Energiewende zu dezentraler erneuerbarer Energieversorgung und Klimaanpassungsstrategien im Gebäudesektor in die Architektur-Lehre, andererseits eröffnet der Ansatz auch für die Studierenden einen befruchtenden Wissens- und Technologietransfer, nicht zuletzt zu einschlägigen Forschungsaktivtäten am Lehrgebiet Konstruktion und Technik.
Zukunftskompetenzen
Zur Generation Y oder Z heißt es nicht nur angesichts von Schülerstreiks fürs Klima: „die Sorge um die Umwelt politisiert“ und „Nachhaltigkeit ist modern“. Daher spielen im Kontext der Bemühungen, Architekten für die multifunktionalen und gestalterischen Potentiale insbesondere der Photovoltaik zu interessieren, die Studierenden eine eminent wichtige Rolle. Auch wenn diese Themen weiterhin in den Curricula der Architekturfakultäten nur wenig Berücksichtigung finden, zeigen Seminare wie „Cleanvelope“ oder „OPV-Fassade für ZAE-Gebäude in Erlangen“ (Sommersemester 2018), wie Neugier und Kreativität erfolgreich aktiviert werden können.
Nah am Geschehen – Verbreitung der Ergebnisse
Die Studierenden wurden zu Beginn am Beispiel eines Seminars aus dem Sommersemester 2018 darauf hingewiesen, dass erneut die Chance besteht, (ausgewählte) Konzepte und Entwürfe auf nationalen und internationalen (wissenschaftlichen) Veranstaltungen als Teil der Lehrforschung zu präsentieren.
Die Ergebnisse des Seminars konnten in den nachfolgenden Monaten auf verschiedenen Foren der (Fach-)Öffentlichkeit vorgestellt werden.
- Auf Einladung des BAKA Bundesverband Altbauerneuerung e.V. präsentierten Eva Grotter und Marie Christine Häußler stellvertretend für die gesamten Teilnehmer anlässlich des BAKA Hochschultages 2020 (20.02.2020) die Arbeiten, die auch im Rahmen der Messe bautec (18. bis 21.02.2020) / Internationale Fachmesse für Bauen und Gebäudetechnik in Berlin mit Ausstellung und Quartiersmodell zeigt werden konnten.
- Auch beim Bewerbungsverfahren zur “Woche der Umwelt 2020”, gemeinsam ausgerichtet von Bundespräsident und Deutscher Bundesstiftung Umwelt (DBU), war man erfolgreich. Unter “So geht Zukunft: Woche der Umwelt (10. und 11. Juni 2021) macht Lust auf den Schutz der Erde” ist das Seminar Teil des “wichtigen Forums für Umwelt-, Naturschutz- und Klimathemen”, das aufgrund der Corona-Pandemie allerdings weitgehend nur als Online-Veranstaltung stattfindet (Teilnahme gefördert durch wbg 2000 Stiftung, Nürnberg).
- Im September 2020 waren die studentischen Arbeiten mit Poster und Tagungsbeitrag Teil der EuroSun 2020. 13th International Conference on Solar Energy for Building & Industry sowie der 37th European Photovoltaic Solar Energy Conference and Exhibition.
Für den Transfer der Seminarergebnisse in die (Fach-)Öffentlichkeit fehlen im Grunde Zeit, Personal und Finanzmittel. Die Durchführung der Lehrveranstaltung und auch die Aufbereitung der Ergebnisse in Form von Ausstellungstafeln, Tagungsbeiträgen sowie Posterpräsentationen unterstützte der Solarenergieförderverein Bayern e.V., München.
Da erst nach dem Ende eines Seminar überhaupt beurteilt werden kann, ob ausreichend inhaltliche Qualität für weiterreichende Aktivitäten vorliegt, ist es nur vereinzelt gelungen, Studierende in diesen Prozess ‘wissenschaftlichen Arbeitens’ auch direkt einzubinden. Teilnahmen an Messen und Tagungen benötigen lange Vorlaufzeiten und sind hinsichtlich eines Erfolgs nicht immer gut abzuschätzen. Denkbar wären Folgelehrveranstaltungen, in denen (in der Regel andere) Studierende die Arbeitsergebnisse inhaltlich reflektieren und graphisch aufbereiten sowie ggf. auch in der Öffentlichkeit vorstellen.
Der Beitrag wurde veröffentlicht im August 2021 und zuletzt aktualisiert im August 2022.