Was Sie hier lernen
In diesem Artikel erhalten Sie einen Einblick in die didaktische Gestaltung von Lernvideos und die Einbindung dieser in die Lehre. Sie erhalten Tipps, wie Sie das aktive Lernen und den Lernprozess Ihrer Studierenden durch die Anwendung von Videos unterstützen können.
Inhaltsverzeichnis zu diesem Artikel
Einführung
Neurodidaktik – Verbindung von Didaktik und kognitiven Neurowissenschaften
Tipps
– Rahmen und Struktur
– Fragetypen zu Videos
– Daueraufgaben – Lernstrategien für den generellen Umgang mit Videos
– Lesestrategie auch für das aktive Lernen mit Videos nutzen
– Interaktion
– Videos von Studierenden erstellen lassen
Beispiele für die didaktische Integration von Videos in der Lehre
– Verwendung von Videos im Lehrkonzept Inverted Classroom
– Einsatz von Videos in einer Lehrveranstaltung
Fazit
Angebot von LeKo
Quellen
Einführung
Häufig verleiten Videos dazu, dass Lernende in eine passive Haltung verfallen und sich von den Inhalten nur berieseln lassen. Am Ende eines Videos sind viele Inhalte jedoch wieder vergessen. Deshalb ist eine didaktisch fundierte Einbindung von Videos wichtig. Das Ziel ist, dass sich Studierende aktiv mit den Inhalten aus dem Video auseinandersetzen und somit Lerneffekte und -ergebnisse steigern. Dies gilt natürlich nicht nur für Videos, dennoch möchten wir hier das genannte Medium in den Vordergrund stellen, damit Sie direkt passende Tipps in Ihre Lehrgestaltung integrieren können.
Wenn Sie den Artikel durchgehen, notieren Sie gerne selbst Ideen zu möglichen aktivierenden Methoden. Falls Sie ein Tipp besonders anspricht, probieren Sie ihn gleich aus, egal ob Sie ihn als Lernmethode für sich selbst oder für Ihre Studierenden nutzen möchten. So können Sie bereits mit kleinen Schritten einiges bewirken.
Hinweis
Wir möchten natürlich herausstellen, dass Videos kein Allheil-Lernmittel sind. Der Zweck, Einsatz, die Konzeption der Lernvideos sowie Integration in die Lehrveranstaltung sind maßgeblich, damit Lernen mit Videos stattfinden kann. Die Tipps, die Sie hier kennenlernen, sind ggf. nicht für alle Einsatzzwecke gleichermaßen geeignet. Die Entscheidung, welche Sie verwenden möchten liegt bei Ihnen. Sie müssen nicht alle Tipps in einem Video umsetzen, einige davon können Sie auch vor- oder nachgeschaltet z.B. über Moodle oder in Ihrer Lehrveranstaltung einbinden.
Neurodidaktik – Verbindung von Didaktik und kognitiven Neurowissenschaften
Die Neurodidaktik verbindet ein Teilgebiet der kognitiven Neurowissenschaften mit der Didaktik. Aus dieser Forschung lassen sich die verschiedensten Tipps für das Lernen mit Videos ableiten, denn der Fokus liegt auf dem „gehirngerechten“ Lernen.
„Wissen kann nicht übertragen werden, es muss im Gehirn eines jeden Lernenden neu geschaffen werden.“
Gerhard Roth (2009, S. 58)
Für die Lehre und das Lernen im Hochschulkontext bedeutet dies, einen Rahmen sowie ein Umfeld zu schaffen, in welchem Lernen „gehirngerecht“ stattfinden kann.
So werden beispielsweise neue Vernetzungen im Gehirn durch kognitive Strategien geschaffen. Hierfür hat Margret Arnold „Die 12 Lehr-Lern-Prinzipien der Neurodidaktik“ zusammengefasst (Arnold, 2009, S. 190ff). Folgend finden Sie eine Auswahl, die sich besonders bei Videos gut einbinden lassen.
- Wenn Lernprozesse in soziale Situationen eingebunden sind, sind sie effektiver.
- Lernen ist effektiver, wenn das vorhandene Vorwissen mobilisiert wird.
- Werden positive Emotionen in das Lernen eingebunden, ist es effektiver.
- Verstehen SchülerInnen [Studierende], wie die erlernten Details mit einem Ganzen zusammenhängen, können sie sich die Details besser einprägen.
- Lernen wird verbessert, wenn Zeit zum Reflektieren bleibt.
- Es wird besser gelernt, wenn SchülerInnen Informationen und Erfahrungen miteinander verbinden können.
Frau Sabitzer listet in ihrem Artikel „Neurodidaktik – Neue Impulse für den Informatikunterricht“ (Seite 11 des Artikels) Gedächtnisfunktionen auf, die maßgeblich für die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von neuen Lerninhalten sind. Diese fließen zu Teilen in die hier nachfolgenden Tipps mit ein. Die Verlinkung zu dem Artikel finden Sie auf der rechten Seite bei weiterführenden Informationen sowie in den Quellen.
Hinweis
Eine aktive Auseinandersetzung mit neuem Wissen ist anstrengend aber auch nachhaltiger. Es braucht Zeit Lernstrategien zu erlernen und dauerhaft anzuwenden. Indem Sie die verschiedenen didaktischen Möglichkeiten in der Lehre für die Studierenden anwenden bzw. zur Aufgabe machen, können Lernende nicht nur den Umgang mit Videos als Lernmedium erlernen sondern auch Lernstrategien entdecken.
Aus den Neurowissenschaften lässt sich somit ableiten: Wir lernen, wenn wir aktiv am Lernprozess beteiligt sind, denn ein passives Gehirn lernt nicht. Auf Videos bezogen, die zum Lernen verwendet werden, soll ein Wandel vom passiven Konsumieren zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Lernstoff stattfinden. Umso stärker die Lernenden selbst aktiv sind, desto höher der Lernerfolg.
„Wie können wir also das aktive Lernen von Inhalten unterstützen?“ Mit den nachfolgenden Tipps.
Tipps
Wenn Sie sich bereits mit Videos als Lernmaterial beschäftigt haben, sind Ihnen vielleicht die ein oder anderen Tipps, bspw. zur Dauer oder ähnlichem bereits geläufig. Bei den folgenden Tipps betrachten wir insbesondere die didaktische Einbettung und Anreicherung von Lernvideos, also Videos im Kontext der Lehre und des Lernens, damit aktives Lernen stattfinden kann.
Hinweis
Die Tipps beziehen sich auf Videos, die für das Selbststudium und zur Vermittlung eingesetzt werden, nicht für die Kommunikation mit Studierenden. Des Weiteren können die Tipps hier teilweise unabhängig von der Art der Videos (How To, Screencast, Interview, Vorlesungsaufzeichnung, etc.) eingesetzt werden und finden sowohl für selbst erstellte wie auch externe Videos (z.B. von Youtube) ihre Anwendung.
Rahmen und Struktur
- Dauer des Videos: Empfohlen werden kurze Videoeinheiten. Bei der exakten Dauer gehen die Meinungen auseinander. Wir empfehlen den Durchschnitt von etwa 6 Minuten. Dabei beachten wir auch die Grenzen der Verarbeitung im Gehirn und die Aufmerksamkeitsspanne. Lernen in kleinen Häppchen ist leichter, da Zwischenpausen für die Verarbeitung im Gehirn wichtig sind. Gerade bei einem reinen Input sind lange Einheiten schwierig, da der Lernstoff in einem Stück zu viel für die nachhaltige Verankerung ist. Wenn Sie einen längeren Input haben von z.B. 30 Minuten oder mehr, prüfen Sie, ob Sie diese aufteilen können, oder bieten Sie mit einem Pause-Screen innerhalb des Videos aktive Verarbeitungszeiten an. Viele einzelne Videos können dann auch aufeinander aufbauen (Stichwort „Chunking“).
- Bauen und planen Sie ausreichend Pausen für das Verarbeiten mit ein. Wie bereits bei der Dauer beschrieben, braucht das Gehirn Pausen, um das gerade aufgenommene Wissen zu verarbeiten. Sie können die Verarbeitung auch aktivieren, in dem Sie zwischen den Videos bspw. Reflexionsfragen stellen. So wird das Wissen noch einmal verstärkt verankert und die Pausen zwischen dem Input werden aktiv genutzt.
- Weisen Sie Lernende darauf hin, die Videosteuerung aktiv zu nutzen. Zwar handelt es sich nur um eine leichte Aktivierung, hilft aber einigen Studierenden selbstbestimmt in ihrem Tempo zu lernen. Sie können auch Aufgaben zur Steuerung mitgeben: „Pausiert bei wichtigen Gedanken und notiert diese, wiederholt unklare Stellen und formuliert Fragen“, etc.
- Das Formulieren von Lernzielen ist ein wichtiger Bestandteil der Lehrplanung.Dies können Sie sich auch bei Videos zunutze machen. Indem Sie die Lernziele des Videos (in Bezug zur Lehrveranstaltung, dem Studium, etc.) voranstellen, können Studierende ihr Vorwissen aktivieren, Bezüge zum Lernstoff sowie zur Praxis herstellen. Zusätzlich können Studierende ihren Lernfortschritt überprüfen, indem sie ihr Wissen mit den Lernzielen abgleichen können. Dies kann auch die intrinsische Motivation steigern. Die Lernziele helfen aber auch Ihnen den Fokus des Videos zu ermitteln und unterstützen bei der Konzeption und Einbindung eines Videos. Zusätzlich können Sie beurteilen, inwiefern das Lernvideo für die Studierenden sinnvoll ist.
Folgende Fragen können Ihnen bei der Formulierung von Lernzielen helfen.
- Was sind die Studierenden am Ende in der Lage zu tun?
- Am Ende der Lehrveranstaltung sind die Studierenden in der Lage …
- Angabe von beobachtbaren und (von Studierenden) beweisbaren Fähigkeiten
- Am Ende der Lehrveranstaltung sind die Studierenden in der Lage …
- Womit können die Studierenden das erlernen?
- Die Studierenden erlernen dies mittels / indem sie …
- Angabe von Wissen, Theorien und Forschungsergebnissen
- Angabe von Methoden und Techniken
- Angabe von Wissen, Theorien und Forschungsergebnissen
- Wozu sollen Studierende das erlernen?
- Die Studierenden erlernen dies mit dem Ziel / um später …
- Aufzeigen der Nützlichkeit für den weiteren Studienverlauf bzw. für die spätere berufliche Zukunft
- Die Studierenden erlernen dies mit dem Ziel / um später …
- Weitere Fragen die Sie sich stellen können: Wie fügt sich das Video in die Lehrveranstaltung ein? Zu was sind die Studierenden am Ende des Videos in der Lage (haben Sie etwas verstanden, können Sie jetzt eine neue Formel anwenden, etc.)?
- Bieten Sie zu Anfang des Videos oder vorab eine Struktur bzw. einen Überblick (Stichwort „Priming“). Dies bietet den Lernenden eine Orientierung und kann zusätzlich das Vorwissen aktivieren sowie Anknüpfungspunkte zum Lernen bieten. Stellen Sie es sich wie eine Art Inhaltsverzeichnis oder Agenda vor. Sie können dem Video auch einen kleinen Text bzw. Hinweis als Einleitung, um was es sich in dem Video handeln wird, voranstellen. Der Überblick bzw. die Strukturmuss nicht im Video integriert sein, diese können bspw. in Moodle hinterlegt sein oder in der Lehrveranstaltung vermittelt werden.
- Auch das Sozial eingebundene Lernen bietet ein hohes Potenzial an Aktivierung. Wenn Sie bspw. Gruppenaufgaben zum Video lösen lassen aktivieren Sie damit das kooperative Lernen und einen Erfahrungsaustausch für neue Perspektiven.
- Stellen Sie Fragen auch vor und während dem Video, nicht nur am Ende. Dies ermöglicht es, dass Studierende sich bereits vorab Gedanken machen können und die entsprechenden Antworten zu den Fragen aktiv im Video suchen. Sie können verschiedene Fragetypen verwenden, um die Aktivierung zu fördern.Beispiele zu Fragetypen finden Sie im folgenden Abschnitt.
Fragetypen zu Videos
Klassisch werden Fragen erst am Ende eines Videos beantwortet. Stellen Sie die Fragen jedoch zuvor oder auch während einem Video, können Sie für eine schnelle und einfache Aktivierung sorgen, erhöhen den Fokus beim Lernen und die Antworten prägen sich besser ein.
Tipp: Fragen müssen nicht im Video gestellt werden. Jedoch müssen die Fragen in dem Video beantwortet, erläutert oder geklärt werden. Die Fragen können Sie z.B. in Moodle vorab stellen. Bei externen Videos können Sie mithilfe von H5P auch Fragen im Video integrieren, vorausgesetzt das externe Video lässt sich in H5P einbinden. Zudem können Sie auch Fragen stellen, die nicht immer auf das Faktenwissen zielen.
- Vorwissen aktivieren (vor dem Video)
Stellen Sie Fragen, die auf das Vorwissen abzielen und die für das Verständnis des neuen Stoffes benötigt werden. Dies führt einerseits zu einer Wiederholung bspw. von bereits Gelerntem und bietet Anknüpfungspunkte von neuem Wissen an bereits bestehendes. So steigert sich auch die Vernetzung im Gehirn. - Reflexionsfragen (während oder nach dem Video)
Die Reflexionsfragen können sich auf verschiedene Aspekte oder Ebenen des Lernvideos beziehen. Sie dienen dazu sich bewusst mit einem Kontext, Erfahrungen, Werten, etc. auseinander zu setzen und daraus Erkenntnisse und Vertiefung zu gewinnen. Beispiel: Was haben die Inhalte des Videos XYZ mit meinem zukünftigen Arbeitsumfeld zu tun? - „One Minute Paper“-Methode (nach dem Video)
Diese Methode wird zum Ende einer Lehrveranstaltung angewendet. Sie können sich die Fragen jedoch zunutze machen, um die Studierenden noch einmal die Inhalte im Video Revue passieren lassen. Wenn Sie die Fragen auswerten möchten, lassen Sie diese bspw. anonym beantworten und in einer Lehrveranstaltung einsammeln. So haben Sie die Chance Verständnislücken der Studierenden zu schließen. Nachfolgend zwei Fragen, die Sie verwenden können.
1. Was ist das Wichtigste, das Sie heute gelernt haben?
2. Was haben Sie am wenigsten verstanden? - Schätzfragen (vor dem Video)
Stellen Sie zu Anfang des Videos Schätzfragen. Dies steigert die Neugier, denn die Lernenden müssen sich vorab Gedanken machen. Die korrekten Antworten finden sie nachträglich im Video. Wichtig ist jedoch, dass die Antworten der Studierenden nicht bewertet werden. Es geht nicht um Richtig oder Falsch, denn bisher sind die Studierenden noch nicht in den Kontakt mit dem neuen Wissen gekommen. Nachträglich werden die Schätzfragen dann überprüft. Wenn Sie die Schätzfragen in einer Lehrveranstaltung verwenden können Sie die Antworten zum Thema auch im Plenum diskutieren. - Aufgaben (vor und während einem Video)
Nur eine abgewandelte Form der „Frage“. Sie können Aufgaben stellen, wie zum Beispiel Rechnungen zu bearbeiten oder aktiv ein Verhalten zu analysieren (bspw. bei einem gefilmten Interview oder Beratungsgespräch). Hier können Sie auch gut auf H5P zurückgreifen. Hat eine Person die Aufgabe richtig gelöst, kann diese z.B. weiter zur nächsten Aufgabe springen. Ist die Antwort zunächst falsch, kann eine vertiefende Erläuterung eingeblendet werden. So können Sie eventuell auftretende Wissenslücken bereits im Video schließen. - Single/Multiple Choice (nach dem Video)
Sowohl in Moodle als auch H5P können Sie Single- oder Multiple Choice Fragen sowie Aufgaben zu Videos hinzufügen. Um jedoch die Antworten nicht vorzugeben, sondern den aktiven Abruf aus dem Gedächtnis der Studierenden zu fördern, können Sie die Fragen in Aussagen umformulieren und diese mit „Wahr“ oder „Falsch“ beantworten lassen. Ergänzen Sie zudem die Aufgabe damit, dass die Studierenden ihre Antworten begründen sollen. So können Sie das Wissen zu der Frage aktiv noch einmal abrufen und in eigenen Worten formulieren.
Daueraufgaben – Lernstrategien für den generellen Umgang mit Videos
Sie können diese Art von Aufgaben nutzen, damit die Studierenden sich bei jedem Video aktiv mit den Inhalten auseinandersetzen. Legen Sie diese z.B. beim asynchronen Lernen mit Videos in Moodle als „Regeln“ fest. So haben die Studierenden die Möglichkeit neue Lernmethoden kennen zu lernen und anzuwenden. Einige der Aufgaben können Sie auch ungeprüft lassen.
- Notizen erstellen
Geben Sie die Aufgabe mit, sich während des Videos Notizen zu erstellen. Sie können die Aufgabe verfeinern, indem Sie mitgeben, einen Fokus bspw. auf Gedanken, Ideen, Assoziationen, Fragen, o.ä. zu setzen. Somit wird eine aktive Auseinandersetzung und Verknüpfung im eigenen Wissensnetz der Studierenden gefördert. - Ein Glossar erstellen
Diese Aufgabe können Sie einzelnen Studierenden oder als Gruppenaufgabe stellen. Hier können unklare, wichtige oder grundlegende Begriffe gesammelt und mit Definitionen hinterlegt werden. Dies kann als ständige Wissensdatenbank für die Studierenden dienen. - Querverweise ansehen
Wenn Sie Querverweise in oder zu den Videos anbieten, rufen Sie dazu auf, diesen nachzugehen. Die Querverweise können helfen Wissen zu vertiefen - Nutzen Sie das Verarbeitungslernen aus den kognitiven Lernstrategien.
Die Studierenden strukturieren das Material selbst oder wiederholen dieses anhand einer Aufgabe. Hier erstellen Studierende selbst „Materialien oder Aufgaben“ über das Gelernte. Nachfolgend finden Sie ein paar Beispiele:- Visualisierungen erstellen (Mind Map, Concept Map)
- Fragen und Aufgaben erstellen (Quiz, etc.)
- In eigene Worte fassen
- Verbindungen zu anderen Themengebieten herausstellen
Noch ein Hinweis: Einige der Aufgaben können Sie auch überprüfen, um den Studierenden Feedback zukommen zu lassen und ggf. Verständnisprobleme zu lösen.
Eine Übersicht über Beispiele zu Lernstrategien finden Sie hier bei der TU Darmstadt.
Lesestrategien auch für das aktive Lernen mit Videos nutzen
Vielleicht sind Ihnen die Abkürzungen PQ4R (E. L. Thomas und H. A. Robinson, 1972) bzw. SQ3R (Francis P. Robinson) bereits als Methode ein Begriff. Diese repräsentieren Lesestrategien. Diese können Studierende in leicht abgewandelter Form (Read wird zu Watch) auch für Videos verwenden
- Preview/Survey (Überblick):
Die Inhalte werden überflogen und jede*r Lernende schafft sich einen Überblick über das Thema. Bei Büchern kann dies sein, das Inhaltsverzeichnis oder die Titel zu sowie Abbildungen zu überfliegen. In einem Video kann dies eine Texttafel mit den Inhalten anhand von Titeln sein, ein Vorschaubild oder ein kurzer Einführungstext. - Questions (Fragen):
Nach dem ersten Schritt werden eigene Fragen zu dem überflogenen Thema, Text etc. auf ein Blatt notiert. Dies können auch Ideen und Assoziationen sein. - Read (Lesen), hier Video schauen:
Beim Schauen des Videos wird versucht, die notierten Fragen zu beantworten. Neue Fragen werden ebenfalls notiert. - Reflect (Reflektieren) (gehört zu PQ4R):
In diesem Schritt setzen sich die Studierenden tiefer mit dem Inhalt aus dem Video auseinander. Hier geht es um das Verständnis. Es können Beispiele gesucht werden, die das Thema bzw. Wissen auf eine andere Art veranschaulichen. Auch können reale Bezüge aus der Praxis recherchiert werden. - Recite (Wiedergeben):
In dieser Phase werden die Inhalte zum Thema aufgesagt. Die Lernenden versuchen die Fragen aus dem Kopf heraus zu beantworten. Wichtig ist, das Video nicht als Hilfestellung zu Rate zu ziehen. Falls Wissenslücken sichtbar werden, können diese notiert und anschließend noch einmal durchgenommen werden. - Review (Überprüfung):
Im letzten Schritt werden das Wissen bzw. die wichtigsten Punkte noch einmal aktiv abgerufen, in den Gesamtkontext gebracht und Praxisbezüge hergestellt.
Interaktion
- Lehrkonzepte zur Einbindung von Videos
Sie können Videos als Input vor einer Lehrveranstaltung nutzen, beispielsweise bei dem Lehrkonzept „Inverted Classrom“. Jedoch muss auch hier eine didaktische Einbindung der Videos geplant werden. Ein reiner Input von beispielweise 30 Minuten ohne Aktivierung führt zu geringen Lernerfolgen. Wenn Sie dies bedenken, können Videos als Input vor der Lehrveranstaltung helfen die Interaktion sowie die Vertiefung in der Präsenzphase zu steigern, indem der Inhalt in der Lehrveranstaltung zur Anwendung kommt, bspw. in Gruppenaufgaben. - Mit H5P Interaktionen in Videos fördern
Sie können mit H5P nicht nur Präsentationen interaktiv gestalten oder Online Kurse erstellen, sondern Videos an verschiedenen Zeitstempeln mit Interaktionen versehen oder Lernpfade kreieren. Ein weiterer Vorteil: sowohl eigene als auch externe Videos lassen sich mit Interkationen versehen.- So können Sie bspw. Fragen direkt im Video einblenden und beantworten lassen. Dabei sind verschiedene Fragetypen möglich:
- Single- oder Multiple ChoiceDrag and DropFind the HotspotFill in the Blanksetc.
- Auch können Informationstexte, Buttons und Verlinkungen und einiges mehr an frei definierbaren Stellen und Zeiten eingeblendet werden.
- Ein Beispiel für ein Video, welches mit Interaktionen versehen ist, finden Sie hier: https://h5p.org/interactive-video
- H5P bietet ebenfalls die Möglichkeit Lernpfade zu kreieren
- Je nach Entscheidung und/oder Antwort bei einer Frage können Sie zu verschiedenen Punkten springen. Dies kann anhand von Zeitmarken in einem Video gesteuert oder bspw. über das umfassende „Branching Scenario“, das wie ein Entscheidungsbaum aufgebaut ist, gestaltet werden.
- Ein Beispiel zum Branching Scenario finden Sie hier: https://h5p.org/branching-scenario
- Viele weitere Beispiele zu den nutzbaren Elementen von H5P finden Sie auf der Website H5p.org.
- So können Sie bspw. Fragen direkt im Video einblenden und beantworten lassen. Dabei sind verschiedene Fragetypen möglich:
Tipp: An der TH-Nürnberg ist H5P bereits in Moodle über ein Plugin integriert (in der neuen Version ggf. als Core-Element). Um Speicherplatz zu sparen und die Ladezeiten eines Moodlekurses gering zu halten, können Sie eigene Videos über die Plattform THN Mediasharing hochladen und von dort aus in Moodle/H5P einbetten.
Videos von Studierenden erstellen lassen
Wenn Sie Ihre Studierenden Videos zu Lerninhalten selbst erstellen lassen, bieten Sie ihnen nicht nur die Möglichkeit Inhalte zu erlernen. Bei der Erstellung eigener Videos fließen viele Kompetenzen zusammen, darunter die:
- Fachkompetenz – Erarbeitung von Fachwissen zur Darstellung im Video
- Medienkompetenz – Auseinandersetzung mit Hardware und Software zur Erstellung von Medien (Videos, Grafiken, etc.)
- Didaktische Kompetenz – Konzeption, Ausarbeitung und Einbettung des Videos unter Berücksichtigung didaktischer Überlegungen
- Selbstlernkompetenz – Studierende lernen unter Berücksichtigung ihrer Stärken neue Kompetenzen zu erwerben
- Sozialkompetenz und Kommunikationskompetenz, wenn Sie die Aufgabe, ein Video oder einen Videokurs erstellen zu lassen als Gruppenaufgabe gestalten.
Ein Projektbeispiel aus der Lehre, in dem Studierende einen digitalen Escape Room geschaffen haben, indem Sie in Moodle verschiedene digitale Medien, wie Videos, H5P und 360°Grad-Drehungen vereint haben, finden Sie hier.
Beispiele für die didaktische Integration von Videos in der Lehre
Verwendung von Videos im Lehrkonzept Inverted Classroom
- Vor der Lehrveranstaltung (asynchrone Phase)
Der neue Input als Video umfasst insgesamt 30 Minuten. Diese werden in 5 Videos zu je 6 Minuten aufgeteilt oder, wenn es sich um ein Video handelt, mit regelmäßigen Pausen versehen (z.B. in Form von eingeblendeten Pause-Screens oder einem Screen mit Fragen). - Folgende Aufgaben können zu einem Video aufgetragen werden
- Bevor das Video angesehen wird: Vor jeder Videoeinheit drei Schätzfragen, die nicht bewertet werden.
- Während: Die Studierenden sollen Fragen zur Klärung von Verständnislücken aufschreiben und in die Lehrveranstaltung mitbringen.
- Abschließend: Die Studierenden können ihre Antworten zu den Schätzfragen überprüfen. Zusätzlich können Sie Reflexionsfragen für die Vertiefung des Verständnisses der eigenen individuellen Ansichten beantworten.
- Daueraufgabe: Die Studierenden sammeln Definitionen zu vorgestellten Begriffen und bündeln diese in einem eigenen Glossar.
- In der Lehrveranstaltung (synchrone Phase):
- Paar-Aufgabe: Die Studierenden erklären sich gegenseitig den Inhalt der Videos. Im Plenum können Fragen geklärt und das Verständnis anhand von weiteren Aufgaben vertieft werden.
Einsatz von Videos in einer Lehrveranstaltung
- Veranschaulichung einer technischen Lösung in einer Lehrveranstaltung und die Anwendung der Methode Peer Instruction. Das Video ist circa 6 Minuten lang. Aufgaben zum Video:
- Bevor das Video angesehen wird: Das Vorwissen wird durch Fragen aktiviert, bspw. über PINGO, ein Quiz oder eine Umfrage. Diese ermöglichen eine anonyme Teilnahme und schnelle Auswertung der Ergebnisse. Dies senkt die Hemmschwelle falsch zu antworten und die Ergebnisse können direkt im Plenum ausgewertet werden.
- Abschließend: Die Studierenden werden in Paare aufgeteilt. In einer kurzen Einheit erklären sie sich gegenseitig das Wissen aus dem Video. Anschließend wird die Umfrage wiederholt. Ist die Diskrepanz zur richtigen Antwort zu hoch, können Sie die Frage ins Plenum aufnehmen und erklären bzw. weiter vertiefen.
Fazit
Mit bereits kleinen Anpassungen können Sie Videos didaktisch in Ihre Lehre einbinden und somit das aktive Lernen der Studierenden fördern. Die Studierenden erhalten die Möglichkeit unterschiedliche Lernmethoden und -strategien kennen zu lernen und anzuwenden. Umso stärker der Effekt der Aktivierung bei den Studierenden in ihrem eigenen Lernprozess ist, desto besser können sie neue Vernetzungen im Gehirn schaffen und nachhaltig lernen.
Angebot von LeKo zum Thema Videoerstellung und Einbindung in Lehrveranstaltungen
- Beratung zum Thema Didaktik und Erstellung von Videos.
- Schulungen auch von Studierendengruppen zum Thema „Erstellung von Lehr-/Lernvideos“. Auf Anfrage.
- Equipmentverleih für Lehrende
- Anleitungen und Praxisbeispiele aus und für die Lehre im Portal Digitale Lehre sowie im Wiki Digitale Lehre
Schreiben Sie uns gerne unter leko@th-nuernberg.de an!
Quellen
- Arnold, M. (2009). Brainbased learning and Teaching. In U. Herrmann, Neurodidaktik: Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen (S. 182-195). Weinheim, Basel: Beltz.
- Findeisen, S.; Horn, S.; Seifried, J. (2019). Lernen durch Videos – Empirische Befunde zur Gestaltung von Erklärvideos, Medienpädagogik, https://www.medienpaed.com/article/view/691
- Medialab Universität St Gallen, Tag der Lehre 2021 – „Lernvideos aus didaktischer Perspektive„: https://www.youtube.com/watch?v=GaQwrIK8adU (25.05.2023, 14:00 Uhr)
- Roth, G. (2009).Warum sind Lehren und Lernen so schwierig? In U. Herrmann, Neurodidaktik: Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen. Weinheim, Basel: Beltz.
- Sabitzer, B. (2010). Neurodidaktik – Neue Impulse für den Informatikunterricht. 25 Jahre Schulinformatik 2010. https://www.researchgate.net/publication/263655393_Neurodidaktik_-_Neue_Impulse_fur_den_Informatikunterricht (26.05.2023, 10:15 Uhr)
- Technische Universität Dresden, THE PQ4R METHOD: https://tu-dresden.de/tu-dresden/karriere/weiterbildung/ressourcen/dateien/schreibzentrum/infothek/material-sammeln-und-bearbeiten/Methode_PQ4R-Methode.pdf?lang=en (25.05.2023, 15:05 Uhr)
- Thomas, E. L., Robinson, H. A. (1972). Improving reading in every class: A sourcebook for teachers. Houghton Mifflin, Boston.
- TU Darmstadt, Beispiele für Lernstrategien im Studium: https://www.einfachlehren.tu-darmstadt.de/media/einfachlehren/artikelbilder/selbstreguliertes_lernen/Beispiele_fuer_Lernstrategien.docx.pdf (23.06.2023, 13:20 Uhr)
Der Beitrag wurde veröffentlicht im Juni 2023 und zuletzt aktualisiert im August 2023.